Gelegentlich denke ich darüber nach, was wäre, wenn …
Besonders an Abenden, wenn mir das Einschlafen nicht so leichtfällt, spiele ich gerne dieses Spiel und gehe im Kopf alle möglichen Entscheidungen durch und überlege, wie mein Leben anders verlaufen hätte können, hätte ich dies oder jenes anders oder gar nicht gemacht. Die Matura zum Beispiel. Hätte ich mit einem guten Lehrberuf oder einer Ausbildung am Arbeitsplatz nicht mindestens genau so glücklich werden können? Oder vielleicht sogar glücklicher? Der goldene Boden des Handwerks und so? Wer einen Tisch aus Holz, ein Gerüst aus Metall, ein Fenster aus Glas oder Kleidung aus Stoffen herstellen kann, braucht keine Angst zu haben, dass irgendeine KI den Arbeitsplatz vernichten wird. ChatGPT, bau mir dieses Haus! Ich denke nicht …
Und wenn ich dann so daliege und weiter überlege, bin ich schon froh darüber, die Schule fertig gemacht zu haben, denn ich habe gerne studiert und mag den Beruf, den ich jetzt habe, sehr gerne. Rückblickend leuchtet das schon auch ein; wenn man sich all diese langen Jahre durch die Schule gearbeitet hat, will man am Ende auch etwas dafür bekommen, und wenn es nur ein Zeugnis auf zugegeben sehr schönem Papier ist. Das haben sich 2024 anscheinend auch einige junge Menschen in Österreich gedacht. 35.502 Schülerinnen und Schüler haben beim Haupttermin im Mai 2024 die Reife- und Diplomprüfung, wie die Matura im offiziellen Amtsdeutsch heißt, bestanden. Von 39.480. Das ist eine beachtliche Abschlussquote von 89,9 %! Von den übrigen 10,1 % haben sich die meisten dann ihren Abschluss bei einem der Nebentermine geholt, kein Beinbruch, fragt später wirklich niemand! Hauptsache Matura, oder? Für 62,5 % der Österreicher und Österreicherinnen reicht das nämlich auch, für sie ist der Abschluss der Sekundarstufe II der höchste Bildungsabschluss, den sie machen. Immerhin 20,4 %, also etwas mehr als ein Fünftel der Bevölkerung, macht dann noch eine weiterführende Ausbildung, die drei Jahre oder länger dauert, und darf sich dann Akademiker oder Akademikerin nennen.
Also wenn man nun dasteht mit diesem Zeugnis – auf einem wie gesagt wirklich schönen Papier – in den Händen und die ganze Last der letzten Jahre von einem abfällt, dann ist es da schon wieder: Was wäre, wenn? Nur diesmal eben in die Zukunft gerichtet. Was ist, wenn ich dieses oder jenes machen werde, dieses Studium oder jenes oder vielleicht gar keines?
Oft hilft es, ganz große Probleme in viele kleine zu zerlegen. Anstatt in dem Meer von Möglichkeiten unterzugehen, hilft es, sich seine Optionen anzuschauen. Man kann studieren gehen, an einer Universität oder an einer Fachhochschule. In beiden Fällen ist mit Aufnahmeprüfungen zu rechnen, für Fachhochschulen sprechen in der Regel die hohen Abschlussquoten (wer einmal drin ist, macht sie meistens auch fertig), für Universitäten die hohe Qualität der Ausbildung und die relativ hohe Freiheit bei der Wahl seines Studienwegs. Sollte einem also die kleine nimmer leise Stimme in seinem Kopf pausenlos einreden wollen, dass man seinen Hintern, nachdem er sich durch mindestens 15 Stunden Klausuren und noch mehr Präsentationen und mündliche Prüfungen gesessen ist, gefälligst zur nächsten Studienaufnahmestelle zu bewegen hat, dann wird man das wohl auch tun und sich baldigst einen Überblick über die vielen möglichen Studiengänge in Österreich verschaffen, z.B. hier: https://www.studium.at/studieren (ja, da steht wirklich 2.720 Studiengänge, so viele gibt es nämlich). Um es noch ein wenig komplizierter zu machen, sollte man nicht vergessen zu bedenken, dass es auch möglich ist, im Ausland zu studieren, Infos dazu gibt es hier: https://www.studieren.at/studieren-im-ausland/. Schon genug? Nein, ich denke nicht! Denn es gibt wie gesagt viele sehr interessante Möglichkeiten abseits eines Studiums. Warum nicht eine Ausbildung am Arbeitsplatz machen? https://www.waff.at/jobs-ausbildung/jobs-mit-ausbildung/ 2.400 Berufe warten hier auf dich, um entdeckt zu werden! Was gibt es Besseres, als gleich ein bisschen Geld zu verdienen und nebenbei etwas für den Kopf zu tun?
Und ein kleines Geheimnis sei hier schon auch noch verraten: Niemand muss irgendwas! Es ist dein Leben, deine Entscheidungen. Und weil das hier ein Kommentar ist und weil ein Kommentar einen guten Bogen von Anfang bis Ende braucht, möchte ich das Ende mit einer kleinen Anekdote einleiten, an die ich immer wieder denken muss, ein Witzchen quasi. Und der Witz geht so: Warum haben es alte Menschen und Kinder immer so eilig? Na, weil den Alten das Leben davonläuft und den Kindern die Jugend. Ich denke, du weißt, was ich damit sagen will. Was auch immer du den Rest deines Lebens tun wirst, lass dir bei der Findung deines Weges Zeit und ändere die Richtung, wenn es sein muss. Höre auf die Stimme in deinem Kopf und in deinem Herzen und lass dich von ihr durch all diese Möglichkeiten hindurchführen. Schau dir verschiedene Sachen an und wenn etwas nichts für dich ist, geh weiter und suche weiter. Das Leben ist zu bunt und vielfältig für einfache Entscheidungen, die man halt macht, weil „man“ das halt macht. No, no, no, you are much better than this and you deserve better. Ich will aber auch nichts beschönigen. Es wird nicht immer einfach und du wirst oft den Wunsch haben – den sehr großen Wunsch, größer als man es sich gerne eingestehen möchte – einfach alles hinzuschmeißen und einfach das Nächstbeste zu machen, nur damit eine Ruhe ist. Wenn da nicht die Stimme in deinem Kopf wäre, wie meine, die immer wieder fragt: „Ist es das?“ „Bin ich das?“ „Ist das das, was ich wirklich will?“ Und diese Stimme wird auch nie eine Ruhe geben, bis man ihr sagen kann: „Ja, das, was ich jetzt mache, mache ich gerne und gut, das ist, was ich will.“
Euer
Prof. Stephan Hruska